Interview zur Reihe einfach POLITIK

Cover einfach POLITIK (3)

Wo wird Politik einfach erklärt? Wo findet man leicht verständlich, was hinter dem Krieg gegen die Ukraine steckt? Wo steht, was Antisemitismus oder Verschwörungstheorien bedeuten? All diese Auskünfte gibt uns einfach POLITIK von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Verantwortlich für dieses Projekt sind Wolfram Hilpert (bpb) und Dr. Dorothee Meyer (Leibniz Universität Hannover). Hier beantworten sie unsere Fragen:


Wie ist Ihr Projekt einfach POLITIK entstanden? Wie ist es heute inhaltlich aufgestellt? Was kommt bei Ihrer Leserschaft besonders gut an?

Wolfram Hilpert: Vor ungefähr zehn Jahren hat die bpb begonnen, sich eingehender mit dem Thema Inklusion und inklusiver politischer Bildung zu beschäftigen. In diesem Kontext entstand auch die Idee von Materialien in einfacher Sprache.

Dorothee Meyer: Nach dem ersten Heft zur Europäischen Union wurde angesichts der aktuellen politischen Lage 2015 das Heft „Flucht und Asyl“ veröffentlicht. Unsere Standardwerke zum Grundgesetz, „Die Grundrechte“ und „Über den Staat“ entstanden 2016. So entwickelt sich die Reihe einfach POLITIK mit übergreifenden politischen Themen immer weiter. Heute ist sie eine multimediale Reihe mit Websites, Hörbüchern und Printheften, sowie aktuellen Artikeln der Seite „einfach POLITIK“ auf bpb.de, zum Beispiel zum Krieg gegen die Ukraine oder zur Inflation.

Wolfram Hilpert: Besonders gut kommt das Heft zum Thema Grundrechte an, es ist unser Verkaufsschlager mit einer Auflage von 140000 Exemplaren. Anfang Oktober 2022 ist die 4., grundlegend überarbeitete Auflage lieferbar. Auch die Materialien zur Bundestagswahl sind immer nach kurzer Zeit vergriffen.


Sie bieten in Ihrem Projekt Texte in ‚einfacher Sprache‘ an. Was verstehen Sie unter ‚einfach‘? Bedingt einfache Sprache auch inhaltliche Vereinfachung?

Dorothee Meyer: Unter einfacher Sprache verstehen wir eine möglichst einfache Formulierung, die Erklärung von Fachbegriffen und Beispiele, die an der Lebenswelt ansetzen. Wir versuchen Verknüpfungen zwischen Thema und Leser*in zu schaffen. Inhaltlich bearbeiten wir keine einfachen Themen, sondern ziemlich komplexe. Unterstützt durch fachliche Beratung und eingehende Prüfung elementarisieren wir die anspruchsvollen Themen fachlich korrekt.
Das Textniveau der Hefte und Artikel würden wir auf einem sprachlichen Kontinuum zwischen Leichter und Einfacher Sprache ansetzen.

Wolfram Hilpert: Zielgruppe sind Menschen, die auf dieses Textniveau angewiesen sind und für die es zur Eigenlektüre passend ist. Darunter fallen beispielsweise manche Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, Menschen aus dem Bereich der Grundbildung, Leser*innen, die in ein Thema einsteigen wollen, aber auch Multiplikator*innen, die mit den Texten Bildungsangebote planen wollen. Die Hefte werden auch, wie aus den Bestelldaten und den Befragungen der bpb hervorgeht, recht häufig von Schulen bestellt und in Angeboten der Erwachsenenbildung eingesetzt.

Die Erfahrung zeigt, dass die Zielgruppe einfacher Sprache weit größer ist, als wir zunächst dachten. Das belegen zum Beispiel auch die Klickzahlen des einfach POLITIK: Lexikon auf bpb.de. Es bietet Leser*innen, aber auch Lehrer*innen die Möglichkeit, mit kurzen Artikeln zu gesuchten Begriffen sich in einfacher Sprache zu informieren. Und natürlich kann man die Artikel auch zum Beispiel an Lerngruppen weitergeben. Das Lexikon wurde in den letzten zwölf Monaten über 1 Million Mal angeklickt.


In Ihrem Projekt beleuchten Sie politische Themen. Wie machen Sie komplizierte Politik leicht verständlich?

Wolfram Hilpert: Politik ist kompliziert, wie auch das menschliche Leben häufig kompliziert ist. An diese Erfahrung versuchen wir anzuknüpfen. Ein Beispiel: Wir erklären Artikel 2 des Grundgesetzes, in dem es um Freiheit geht, mit einer konkreten Situation. Jede Person kann auf einer öffentlichen Straße spazieren gehen, wenn sie das möchte. Wenn aber auf der Straße ein Unfall passiert und das Leben eines Menschen gefährdet ist, dann kann die Polizei die Straße absperren. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eines Menschen muss geschützt werden.

Dorothee Meyer: So versuchen wir, die schwierige Tatsache zu erklären, dass Freiheit nicht allein die individuelle Freiheit meint, sondern immer im Verhältnis zu anderen zu denken ist. Solche Alltagsbeispiele können vielleicht auch die häufig komplexen politischen Diskussionen, zum Beispiel über Grundrechtskollisionen, anschaulich werden lassen.

Sie arbeiten in Ihrem Projekt mit einem Team zusammen. Welche Fähigkeiten bringen die Mitglieder ein? Was macht Ihre inklusive Zusammenarbeit erfolgreich?

Dorothee Meyer: Unser Team besteht bei jedem Heft aus Fachexpert*innen für das jeweilige Thema und Expert*innen, die selbst auf einfache Sprache angewiesen sind – sei es im Büro für Leichte Sprache oder als Teilnehmer*innen im Seminar Gemeinsam lernen –, aus Expert*innen für Textproduktion und Layout und natürlich zuallererst aus Expert*innen für politische Bildung der bpb.

Wolfram Hilpert: Unsere Rolle ist es dann, zwischen diesen Positionen zu vermitteln und so für das möglichst beste Produkt zu sorgen. Dies gelingt, indem wir einerseits unsere Erfahrung aus der politischen Bildung einbringen und andererseits in Gesprächen gemeinsam neue Wege suchen. So gut wie immer finden wir Wege, die alle gut mitgehen können.

Dorothee Meyer: Dieser Prozess ist wichtig und fördert Kreativität. In jedem Text steckt viel Herzblut und Liebe zum Detail. Wir diskutieren oft lange über kleine Passagen, prüfen die Formulierungen, beraten mit den Grafiker*innen über die Bilder, halten mit den Fachexpert*innen Rücksprache. Ich glaube auch, dass es das ist, was die Zusammenarbeit erfolgreich macht.

Wie soll sich Ihr Projekt weiterentwickeln? Welche Erwartungen gibt es von außen? Was sind Ihre eigenen Wünsche?


Wolfram Hilpert: Wo möglich, suchen wir das Gespräch mit Menschen, die mit der Zielgruppe von einfach POLITIK arbeiten, zum Beispiel kürzlich mit Erwachsenenbildner*innen, die in Volkshochschulen in der Grundbildung arbeiten. Betont wurde in den Gesprächen zum Beispiel der Vorteil von kurzen Einzelkapiteln in den Heften, und es wurde uns Mut gemacht, mehr Beispiele für die Arbeit in Lerngruppen vorzustellen.

Aber für uns wäre es wünschenswert, noch mehr über die Erwartungen von Nutzer*innen von einfach POLITIK zu wissen. Scheuen Sie sich also nicht, Kontakt zu uns aufzunehmen.

Dorothee Meyer: Ich wünsche mir auch mehr Zeit und Ressourcen für Öffentlichkeitsarbeit oder Bildungsarbeit. Ich gehe davon aus, dass die Materialien manchmal kaum die Zielgruppe erreichen. Menschen, die auf einfache Sprache angewiesen sind, sind nämlich häufig auch auf Multiplikator*innen und Bildungsangebote angewiesen. Hier ist meiner Ansicht nach noch einiges zu tun.

Interview:

Sabine Manning, Wolfram Hilpert und Dorothee Meyer, September 2022

Hinweis vom Infoportal:

In diesem Interview wird ‚einfache Sprache‘ als Textniveau von einfach POLITIK klein geschrieben. Gewöhnlich schreiben wir jedoch auf unserem Portal ‚Einfache Sprache‘ groß.

Links zum Angebot der bpb

(von Wolfram Hilpert und Dorothee Meyer)

Die Materialien der Reihe einfach POLITIK können kostenfrei bestellt werden und stehen im Shop zum Download als PDF zur Verfügung: www.bpb.de/shop/einfach-politik

Zuletzt erschienene Ausgaben:

2022: einfach POLITIK: Das Grundgesetz.  Die Grundrechte  (Heft, 4. überarbeitete Neuauflage, ab 1.10.2022 als Print und jetzt schon als PDF erhältlich, 56 Seiten)

2022: einfach POLITIK: Nationalsozialismus. Seine Ziele, seine Herrschaft und seine Opfer (Heft als Print und barrierefreie PDF erhältlich, 56 Seiten)

2022: einfach POLITIK: Lexikon (barrierefreie PDF, 213 Seiten)

2021: einfach POLITIK: Erde und Menschen. Ein Heft über Natur, Klima und darüber, wie wir leben (Heft als Print und barrierefreie PDF erhältlich, 52 Seiten)

Die Heftinhalte werden zudem unter
www.bpb.de/einfachpolitik medial angepasst als Online-Dossiers und Hörbücher angeboten.

Das Internetdossier inklusiv politisch bilden – www.bpb.de/inklusiv-politisch-bilden:

Soziale Spaltungen in der Gesellschaft zu überwinden, ist Ziel von Inklusion; Barrieren für politische und gesellschaftliche Teilhabe abzubauen, ist Aufgabe politischer Bildung. Wie aber kann politische Bildung auch Menschen erreichen, die aufgrund von Behinderung, sozialer Stellung, Zuwanderungs- oder Bildungsgeschichte ausgegrenzt sind? Hier finden Sie didaktische Grundlagen, Beispiele für inklusive politische Bildungsarbeit, Materialien und vieles mehr.

 

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