Laut der LEO-Studie verfügen 16.8 Millionen Deutsche zwischen 18 und 64 Jahren nicht über ausreichend gute Lesefähigkeiten. Für einen großen Teil dieser Gruppe ist einfache Sprache eine Hilfe.
Bislang findet man Texte in einfacher (und Leichter) Sprache vor allem im Bereich Medizin, Politik und Verwaltung. Allgemeine Nachrichten in einfacher Sprache gibt es beispielsweise online unter nachrichtenleicht.de. Lokalzeitungen in einfacher Sprache gibt es bislang kaum.
Meines Wissens ist mit dem Projekt „Einfach informiert“ erstmals eine Lokalzeitung in einfacher Sprache entstanden, die in ein Citizen-Science-Projekt eingebettet ist. Citizen Science heißt, dass interessierte Bürger sich an Forschungsprojekten beteiligen.
Was ist das Besondere an „Einfach informiert“?
Die Zeitung „Einfach informiert“ ist im Rahmen des gleichnamigen Projektes entstanden, welches eines der Gewinnerprojekte beim Hochschulwettbewerb 2022 war. Der Hochschulwettbewerb wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Die Idee zu „Einfach informiert“ kam von der Masterstudentin Anne Hümmer und mir als wissenschaftliche Mitarbeiterin (beide Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). Doch das Projekt wurde nicht von Forschenden alleine umgesetzt: „Einfach informiert“ ist ein Citizen-Science-Projekt. Citizen Science heißt, dass interessierte Bürger sich an Forschungsprojekten beteiligen.
Bei „Einfach informiert“ haben Bürger aus Stadt und Landkreis Ansbach aktiv an der Forschung mitgewirkt: In Workshops wurde ein Fragebogen in einfacher Sprache erarbeitet, und es wurden die Daten analysiert. Auch die Texte der Zeitung wurden von diesen und weiteren Bürgern sowie von den Forschenden geschrieben.
Zu Beginn des Projektes gab es einen Wochenendworkshop, zu dem wir in der gesamten Region Interessierte eingeladen hatten. Ein Großteil der Workshop-Teilnehmenden engagierte sich danach in unserem Team, das die Zeitung erstellt hat. Das Layout der Zeitung hat eine dieser Freiwilligen gestaltet.
Die Beiträge der Zeitung wurden von insgesamt 18 überwiegend ehrenamtlichen Autoren verfasst. Für jede Ausgabe fand eine Redaktionssitzung mit dem gesamten Team statt, bei dem die Beiträge thematisch festgelegt wurden. Uns war wichtig, dass wir über verschiedene Themen aus der Region berichten. Beispielsweise waren folgende Themen vertreten: regionale Spezialitäten, Sport, Musik, Ehrenamt, Medizin, Inklusion, Bildung und Ausbildung. Die Zeitung wurde mit einer Auflage von 30.000 gedruckt. Die Beiträge sind auch online erschienen unter diesem Link.
Was wurde untersucht – und wie?
Ziel des Citizen-Science-Projektes war es zu untersuchen, ob die Lokalzeitung in einfacher Sprache verständlich ist. Es wurde auch analysiert, wie sich die Zufriedenheit mit der Zeitung in einfacher Sprache erklären lässt. Um Antworten darauf zu finden, beinhaltete die erste Ausgabe der Zeitung einen Fragebogen (in einfacher Sprache).
Im Fragebogen wurde nach der Zufriedenheit mit der Zeitung, der Verständlichkeit der Zeitung, dem Leseselbstkonzept, der Ortsverbundenheit, dem Alter, dem Geschlecht und der Muttersprache gefragt. Die Antworten aus den Fragebögen wurden mit dem Statistikprogramm SPSS 28 ausgewertet. Insgesamt wurden 119 Fragebögen ausgefüllt.
Welche Ergebnisse wurden erzielt?
Die Ergebnisse aus unserem Projekt zeigten, dass die Mehrheit der Leserschaft das Sprachniveau der Zeitung als gut verständlich beurteilte. Nur wenige Personen kreuzten „zu leicht“ oder „zu schwer“ an. Dieses Ergebnis ist unabhängig vom Leseselbstkonzept, d.h. davon, wie gut sie ihre eigenen Lesefähigkeiten einschätzen.
Das ist ein erster Hinweis darauf, dass einfache Sprache für viele Menschen unabhängig von deren Leseselbstkonzept gern gelesen wird. Besonders zufrieden mit der Zeitung waren die Lesenden, die stark ortsverbunden sind. Effekte von Alter, Geschlecht und Muttersprache auf die Zufriedenheit mit der Zeitung gab es nicht. Einschränkend ist zu sagen, dass nur wenige Personen eine andere Muttersprache als Deutsch angegeben hatten.
Fazit
Einfache Sprache ist für einen Großteil der Bevölkerung verständlich und kann somit ein Mittel sein, um mehr Partizipation am gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob einfache Sprache tatsächlich von vielen Bürgern als zufriedenstellend empfunden wird und welche Variablen die Zufriedenheit erklären können.
Am Beispiel einer Lokalzeitung in einfacher Sprache zeigte sich: Die Lokalzeitung in einfacher Sprache wird besonders dann gerne gelesen, wenn man sie als verständlich geschrieben einschätzt und wenn die Personen stark ortsverbunden sind. Das interessanteste Forschungsergebnis war, dass die Zufriedenheit mit der Zeitung unabhängig vom Leseselbstkonzept ist. Das bedeutet, dass sowohl Personen, die ihre Lesefähigkeiten als hoch einschätzen, als auch jene, die sie als eher niedrig einschätzen, gerne in einfacher Sprache lesen.
17.01.2023
Dr. Lisa Birnbaum
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Empirische Bildungsforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Promotion im Fach Psychologie, Studium des Lehramts an Hauptschulen sowie Masterabschluss in Erziehungswissenschaftlich-Empirischer Bildungsforschung
Hinweis der Redaktion
Wir haben die Kleinschreibung von ‚einfacher Sprache‘ so übernommen, wie sie die Autorin verwendet hat. Gewöhnlich schreiben wir jedoch auf unserem Portal ‚Einfache Sprache‘ groß.
Bildnachweis: Das Titelbild und die Abbildung sind Ausschnitte aus der Zeitung „Einfach informiert“, Ausgabe 1, Juni 2022.
