Foto: privat

Quer durch Berlin in Leichter und Einfacher Sprache

Wer möchte das politische Berlin entdecken – anschaulich und leicht verständlich? Wer möchte mehr über die Geschichte Berlins erfahren – in kleinen Gruppen einfach erklärt? Diese Angebote finden wir bei „Berlin in Leichter Sprache“. Wir sprechen mit der Stadtführerin und Seminarleiterin Rita Hübenthal-Montero.

Frau Hübenthal-Montero, Sie bieten Stadtführungen und Bildungsangebote in leichter und einfacher Sprache an. Was hat Sie zu Ihrem Angebot „Berlin in leichter Sprache“ bewogen?

Erst mal möchte ich für Ihre Arbeit danken und dafür, dass Sie Sich für mein Angebot interessieren! Ich bin seit über 20 Jahren als Fachkraft in der Eingliederungshilfe und als zertifizierte Stadtführerin tätig.

In Berlin und Umgebung gab es bisher keine Stadtführungsangebote für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder anderen Schwierigkeiten. Diese Lücke wollte ich schließen und biete seit einigen Jahren mit Freude und einer guten Resonanz Stadterkundungen und Seminare für Gruppen in Leichter / Einfacher Sprache an.

Viele dieser Veranstaltungen biete ich in Zusammenarbeit mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung, den Berliner Volkshochschulen oder anderen Organisationen an. Sie werden aber auch von anderen Institutionen für ihre Gruppen gebucht.

Wie setzen Sie Einfache Sprache in Ihren Veranstaltungen ein?

Dies ist für jede Gruppe unterschiedlich. Die Veranstaltungen richte ich nach dem Bildungsstand und den kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer aus.

Insgesamt nutze ich viel Bildmaterial und versuche mit nachvollziehbaren Beispielen Inhalte näher zu bringen. Wichtig dabei ist mir der Einsatz einer angemessenen Sprache, bei der sich die Teilnehmer ernst genommen fühlen. Zum Beispiel vermeide ich nicht unbedingt Fremdworte, wenn diese geläufig sind, aber ich erkläre diese auch. Ich vermeide es, eine „Kindersprache“ anzuwenden. Weiterhin versuche ich mich in die Lebenswelten der Teilnehmer hineinzuversetzen, um meine Erklärungen mit Beispielen danach auszurichten.

Bei den Veranstaltungen erkenne ich an der Reaktion der Teilnehmer oft, ob eine Unter- oder Überforderung besteht, und richte mich danach aus. Durch meine langjährige Erfahrung in der Betreuung erwachsener Menschen mit kognitiven Einschränkungen gelingt mir dies meist gut. 

Wie unterscheiden sich Ihre Veranstaltungen von üblichen touristischen Angeboten?

Die Inhalte der Seminare und der Stadtführungen sind meist nicht so komplex wie bei den üblichen Angeboten. Das Niveau wird den kognitiven Fähigkeiten und dem Bildungsstand der Zielgruppe angepasst. Ich versuche stets alle mitzunehmen und achte darauf, die Teilnehmer nicht mit zu vielen Informationen zu überfordern.

Die Vermittlung von verständlichen Inhalten ist mir dabei genauso wichtig, wie eine gute und lockere Atmosphäre. Es ist mir ein Anliegen, das die Menschen gerne zu den Bildungsveranstaltungen und Stadtführungen kommen.  Sollte es erforderlich sein, nutze ich bei Stadtführungen ein Audiosystem.

Einige Stadtführungen sind nach Schwerpunktthemen ausgerichtet. Dazu gehören beispielsweise folgende Themen:  Das politische Berlin: Warum ist Wählen wichtig? –  Das alte Berlin: Wie lebte man zu Zeiten der Könige und Kaiser? – Leben in der Diktatur: Was haben die Nationalsozialisten gemacht?

Wen wollen Sie mit Einfacher Sprache erreichen?

Ursprünglich wollte ich mit meinem Angebot vor allem Menschen mit kognitiven Einschränkungen ansprechen. Im Laufe der Zeit habe ich aber auch Anfragen von Gruppen, bei denen andere Aspekte eine einfachere Sprache und Erklärung erforderlich machen.

Da die Angebote sprachlich und inhaltlich dem Niveau der Teilnehmer angepasst werden können, eignen sich die Veranstaltungen auch für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder niedrigem Bildungsstand.

Es ist mir wichtig, im Vorfeld etwas über den soziokulturellen Hintergrund der Teilnehmer zu erfahren, um mich danach auszurichten und Über- bzw. Unterforderung zu vermeiden. Zum Beispiel wissen viele Migrant*innen nicht viel über die deutsche Geschichte, aber sie kennen das Thema Krieg und Vertreibung oft aus eigener Erfahrung.

Wie vermitteln Sie schwierige Themen in leicht verständlicher Sprache?

Es ist wichtig, die Inhalte auf das Wesentliche herunterzubrechen und diese mit nachvollziehbaren Beispielen zu veranschaulichen.

Je nach Veranstaltung kommen Bilder, Piktogramme oder andere didaktische Hilfsmittel wie ein Zeitstrahl zum Einsatz. Eine freudvolle Atmosphäre und viel Spaß miteinander sind mir dabei genauso wichtig wie die Vermittlung von verständlichen Informationen. Gemäß dem Motto: „Bildungsangebote können Spaß machen“. 

Bei den Seminaren, die leicht verständlich sein sollen, ist eine Kombination mit einer Führung sehr sinnvoll. Hier einige Beispiele der aktuell angebotenen Themen: Demokratie und Wahlen – warum ist Mitbestimmung so wichtig? Die Geschichte Berlins und Deutschlands – Was können wir daraus lernen? Menschenrechte und Grundrechte – was ist das eigentlich?

Meine Arbeit macht mir sehr viel Freude, und ich lerne viel von meinen Teilnehmern. Ich freue mich stets  über Anregungen und danke für das Interview.

04.07.2022
Sabine Manning

Veröffentlicht von

ruweadmin

Uwe Roth ist Journalist, Dozent für barrierefreie Kommunikation und Texter für die Einfache Sprache. Er arbeitet beim Deutschen Institut für Normung (DIN) an Regelwerken für die Leichte und Einfache Sprache mit. Er ist zudem Mitglied in der Plain Language Association International. Uwe Roth hat Sozialwissenschaften studiert, in Brüssel als Korrespondent gearbeitet und war zehn Jahre Redakteur in einem großen Medienhaus in Stuttgart.

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